Mont Ventoux: Wenn der Berg dreimal ruft
Mont Ventoux, Géant de Provence, Klassiker der Tour de France: Der karge Berg inmitten der Provence hat viele Namen. Und genauso viele Wege, die hochführen. Drei an der Zahl. Und diese drei haben wir Anfang Juni unter die Räder genommen. Nein, nicht alle am selben Tag – den Zutritt zum Club «Cinglés du Mont Ventoux», dem Club der Verrückten, die alle drei Anstiege an einem Tag fahren, heben wir uns für später auf. Wir wollten dieses Abenteuer etwas länger auskosten und sind die Anstiege von Bédoin, Malaucène und Sault an drei Tagen in Folge mit dem Rennvelo gefahren. Eine Erzählung von unserer Co-Founderin Silvia.
Die Anreise nach Sault, dem Ausgangspunkt für unser Mont Ventoux-Abenteuer, führt uns über den Col de L’Homme Mort. Wenn das nur mal kein schlechtes Omen ist, denke ich. Ich erinnere mich an die Geschichte von Wilfried de Jong aus «Ein Mann und sein Rad» und wie der Protagonist nachts im Dunkeln den Pass erklimmt. Auch bei uns dunkelt es bereits ein. Die Dämmerung lässt die Gipfel am Horizont blau schimmern. Da in der Ferne ist er auszumachen – der Mont Ventoux. Majestätisch überragt er alle anderen Gipfel in der Region. Die Turmspitze des Observatoriums reicht bis weit in den Nachthimmel. Wir erreichen Sault, wo wir unsere Freunde auf der Terrasse des Restaurants treffen. Wir stossen an auf das Abenteuer, das vor uns liegt. Und auf Freundschaften, die der Berg besiegeln wird.
Anstieg via Bédoin – Der Klassiker
Freitagmorgen. Der Himmel ist bedeckt, der Blick fragend nach oben gerichtet – hoffentlich hält das Wetter. Kaum losgefahren, spüren wir die ersten Regentropfen. Es bleibt bei einzelnen Tropfen, die auf dem warmen Asphalt gleich wieder verdunsten.
Heute steht der Anstieg via Bédoin auf dem Programm. Die Südrampe zählt zu den Klassikern der Tour de France. Sie steht alle paar Jahre auf dem Streckenplan. Unser Weg führt uns via Gorges de la Nesque an den Fuss des Mont Ventoux. Landschaftlich ist die Schlucht ein Traum! Kaum Autos. Dafür umso mehr Velofahrer. Allesamt pensionierte Franzosen. Ihre drahtigen Beine und Arme zeugen von vielen Stunden im Sattel. Ihr Blick ist stets nach unten auf den Asphalt gerichtet. Es scheint, als würden sie diese Strecke zum hundertsten Mal fahren. Sie kennen die Umgebung, kennen jede einzelne Kurve. Zeit zum Aufschauen und Staunen muss nicht sein – zu verbissen sitzen sie auf ihren Rädern und versuchen, an vergangene Leistungen anzuknüpfen.
Ab Bédoin weht uns bereits der Mistral entgegen. Das fängt ja gut an! Wie es wohl erst oben auf dem Gipfel sein wird? Im Wald lässt der Wind nach. Es wird warm. Es wird heiss. Im Mittelteil liegt die Steigung bei durchschnittlich 9%. Nicht umsonst zähl der Mont Ventoux zur Hors Catégorie. Weiter vorne fordert der Berg sein erstes Opfer. Ein Mann in einem orangen Trikot schiebt sein Rennvelo vor sich her, den Oberkörper tief über den Lenker gebeugt. «Ca va, monsieur?» Meine Standardfrage. Einige geben Antwort, andere blicken nur kurz auf und nicken angestrengt. Ob er es auf den Gipfel schaffen wird?
Ab dem Chalet Reynard wird es karg. Wir sind oberhalb der Baumgrenze. Keine Bäume mehr, die uns Schatten spenden, keine Bäume mehr, die uns vor dem Wind schützen. Der Gipfel ist in der Ferne auszumachen. Ab hier sind es noch sechs Kilometer. Ich fühle mich gut, fühle mich beflügelt. Die Höhenmeter im Emmental scheinen sich auszuzahlen. Ich trete in die Pedale und halte meinen Rhythmus.
Ein Foto mit dem Gipfelschild muss sein. Als Zeuge für die eigene Leistung, für das eben Erreichte. Wir verpflegen uns oben auf dem Gipfel. Und ziehen etwas Wärmeres für die Abfahrt über. Ich klicke in mein Pedal, schalte hoch – und sehe, wie der Mann im orangen Trikot mich kreuzt und sich die letzten Meter zum Gipfel hochquält.
Mont Ventoux mit dem Rennvelo: Strecke ab Sault via Bédoin
Kilometer total: 86
Höhenmeter total: 2066
Kilometer ab Bédoin bis zum Gipfel: 21.2
Höhenmeter ab Bédoin bis zum Gipfel: 1599
Durchschnittliche Steigung ab Bédoin: 7.5%
Ganze Route via Bédoin auf Strava.
Anstieg via Malaucène – Der Exponierte
Tag zwei. Ab Sault fahren wir nordostwärts am Fusse des Mont Ventoux entlang. Das Gelände ist coupiert. Die Strasse ist gesäumt von hellem Kalkstein und gelbblühenden Sträuchern. Ich versuche mich zu erinnern, wie die Sträucher heissen. Ginster? Ich glaube, es ist Ginster. Bei Streckenhälfte erreichen wir Malaucène. Nach einer kurzen Stärkung in einem Café geht es in den Anstieg. Es ist Mittag. Die Sonne steht senkrecht. Das Thermometer hat die 30 Grad längst erreicht. Ich vermisse den Pinienwald vom Vortag. Die Westrampe ist zu grossen Teilen exponiert. Vor allem im unteren Teil. Kaum Bäume, kaum Schatten. Die Sonne drückt. Die Schweisstropfen sind im freien Fall, die Velobrille längst in den Helm gesteckt.
So richtig hart wird’s ab Kilometer neun. Für die nächsten vier Kilometer heisst es: Zähne zusammenbeissen. Die Steigung liegt bei durchschnittlich 12%. Vor mir taucht Christoph auf. Ich trete etwas fester in die Pedale und hänge mich an sein Hinterrad. Wir sprechen kaum. Wir sind beide mit uns selbst beschäftigt. Ich bin froh, weiter vorne unser Begleitfahrzeug auszumachen. Die letzten Tropfen Wasser aus dem Bidon kippe ich mir in den Nacken. Die Erfrischung hält nicht lange an. Gleich haben wir das Fahrzeug erreicht, gleich können wir unsere Bidons wieder auffüllen.
Da taucht es plötzlich vor uns auf: das kantige Observatorium mit seinem rot-weiss gestreiftem Turm. Wie ein Leuchtturm inmitten der Kalksteinwüste. Die letzten Kilometer liegen vor uns, der Gipfel senkrecht über uns zum Greifen nah. Malerisch schlängelt sich dich Strasse zum Gipfel hinauf, noch ein paar langgezogene Serpentinen. Jetzt bloss den Rhythmus halten: tac, tac, tac, tac.
Einmal mehr meint es der Berg gut mit uns. Der Wind ist erträglich. Wir packen unsere Sandwiches aus und hocken uns an den Strassenrand. Lunch with a View: Wir lassen unseren Blick über die Weiten der Provence schweifen. Wie schon am Vortag nehmen wir den direkten Weg nach Sault. Eine der schönsten Abfahrten, die ich je gefahren bin. Nicht zu steil, dass man konstant bremsen muss; und auch nicht zu flach, dass man konstant pedalen muss. Morgen fahren wir dieselbe Route unter umgekehrten Vorzeichen, morgen geht’s diese Strecke rauf zum Berg.
Mont Ventoux mit dem Rennvelo: Strecke ab Sault via Malaucène
Kilometer total: 92
Höhenmeter total: 2220
Kilometer ab Malaucène bis zum Gipfel: 20.9
Höhenmeter ab Malaucène bis zum Gipfel: 1576
Durchschnittliche Steigung ab Malaucène: 7.5%
Ganze Route via Malaucène auf Strava.
Anstieg via Sault – Der Gnädige
Den längsten Anstieg haben wir uns für den Schluss aufgespart. Mit 25 Kilometer ist die Ostrampe von Sault aus nicht nur der längste Anstieg, sondern mit seinen durchschnittlichen 4.8% Steigung auch der Gnädigste.
Die Strecke führt durch Lavendelfelder. In zwei Wochen muss es hier wunderschön violett blühen und süss riechen. Die Anwärter auf den heutigen Etappensieg haben das Tempo verschärft und ziehen vorneweg. Ich versuche dranzubleiben. Keine Chance. Ich nehme wieder Tempo raus. Ich finde meinen Tritt, finde meinen Rhythmus. Tac, tac, tac, tac. Ich mag es, die Strasse allein für mich zu haben. Ich kann meinen Gedanken nachgehen, meine Ideen sortieren. Bald säumen Pinienbäume links und rechts die Strasse. Es ist angenehm kühl. Ein streunender Hund quert die Strasse. Er scheint sich nicht für mich zu interessieren. Gut so.
Die ersten Frühaufsteher fahren uns in ihren flatternden Jacken entgegen. Einige blicken kurz auf und nicken beim Vorbeifahren. Andere halten ihren Fokus tief über den Lenker gebeugt auf die Strasse gerichtet. Ob sie ihr Soll für heute bereits erfüllt haben? Oder als Anwärter auf den Club «Cinglés du Mont Ventoux» noch zwei weitere Anstiege vor sich haben?
Die Strecke flacht langsam ab. Obschon die Strasse immer noch ansteigt, habe ich das Gefühl, getragen zu werden. Mont Sacré. Der heilige Berg. Heute kommt mit der Mont Ventoux gnädig vor. Er meint es gut mit uns. Noch eine letzte Rechtskurve und schon sehen wir das Chalet Reynard vor uns. Ab hier kennen wir die Strecke. Noch sechs Kilometer bis zum Gipfel.
Es ist Sonntag. Pfingstsonntag. Die Strecke ist wesentlich stärker befahren als noch vor zwei Tagen. Touristen, Tagesausflügler und Velofahrer drängen sich am Berg. Bald sind wir oben. Bald ist der 1910 Meter hohe Berg geschafft. Zum dritten Mal in Folge. Oben gibt’s eine Umarmung. Denn dieses Gefühl kann man nicht beschreiben – man kann es nur miteinander teilen.
Mont Ventoux mit dem Rennvelo: Strecke ab Sault
Kilometer total: 75
Höhenmeter total: 1975
Kilometer ab Sault bis zum Gipfel: 25.4
Höhenmeter ab Sault bis zum Gipfel: 1214
Durchschnittliche Steigung ab Sault: 4.8%
Ganze Route via Sault auf Strava.
Drei Tage. Dreimal über den Mont Ventoux. Einige von uns haben sich im Souveniershop mit einem Bergpreistrikot oder einem Miniatur-Randstein eingedeckt. Andere reisen mit nichts als der Erinnerung an drei wunderbare Tage nach Hause. Egal, ob du den Berg das erste oder das x-te Mal bezwingst, ob du ein Angreifer oder ein Genussfahrer bist, ob der Berg für dich eine Herausforderung, ein Abenteuer oder ein Spielplatz ist: Wir haben gemeinsame Momente geschaffen, Freundschaften besiegelt und Erinnerungen für die Ewigkeit kreiert. Nirgends sonst gelingt das so unvoreingenommen wie am Berg. Und ja, der Club «Cinglés du Mont Ventoux» steht weit oben auf meiner Bucket List.
Mont Ventoux mit dem Rennvelo: Nützliche Tipps
Wenn du die Strasse lieber für dich allein hast, statt sie mit vielen anderen Auto- oder Velofahrern zu teilen, vermeide Sonntage.
Wenn du gerne auf belebten Strassen unterwegs bist, erklimme den Mont Ventoux an einem Sonntag.
Trinken, trinken, trinken. Besonders an heissen Tagen. Es gibt pro Anstieg je eine Verpflegungsmöglichkeit: Das Chalet Reynard von Bédoin und Sault aus, ca. 6 km unterhalb des Gipfels, sowie das Chalet Liotard von Malaucène aus, ebenfalls ca. 6 km unterhalb des Gipfels. Und natürlich die Brasserie le Vendran oben auf dem Gipfel.
Bédoin ist das Velo-Mekka am Mont Ventoux. Strassencafés, Souveniershops und farbige Velotrikots säumen die Strasse. Auch in Malaucène reihen sich die Cafés aneinander. Sault ist deutlich weniger touristisch.
In der Abfahrt Richtung Sault befindet sich ein paar Kilometer vor Ortseingang die Farm aux Lavendes. Ein schöner Ort, um einzukehren und die Seele baumeln zu lassen.
Streckenplanung und Organisation: Ruedi Beck von Cycling My Way. Fotos: Niels Oberson.
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